Als leidenschaflticher Hobbykoch, als wissenschaftsbegeisterter Mensch und nicht zu letzt auch als Teil der gesellschaftlichen Mehrheit der Übergewichtigen interessiert mich das Thema Ernährung sehr. Aber als wissenschaftsbegeisterter Mensch interessiert mich das Thema nicht nur von einem rein praktikablen Standpunkt, sondern auch die Hintergründe. Und das ist beim Ernährung wirklich schwierig. Die ganze Welt ist voller widersprüchlicher Tipps und Dogmen. Ich glaube das muss aber nicht so sein, denn mir erscheint es wenig plausibel und wahrscheinlich, dass Ernährung an sich so verwirrend ist. Vielmehr sind wir es, die das Thema so verwirrend machen und dafür habe ich gleich mehrere Theorien:
- Gesund verkauft sich nicht: Guckt man sich weit verbreitete Ernährungshinweise an, stellt man sehr schnell fest, dass gesunde Ernährung sich nicht so gut verkauft, wie Ungesundes. Viele verarbeitete Lebensmittel sind gezielt darauf ausgerichtet unsere Mechanismen zur Vorkehr gegen Nahrungsknappheit anzusprechen. Und so hat die gesamte Lebensmittelindustrie, vor allem aber die budgetstarken Lebensmittelgiganten ein großes Interesse daran Verwirrung zu stiften.
- Wir suchen Selbstbestätigung: Als Menschen tendieren wir dazu uns Informationsquellen so auszuwählen, dass sie unseren eigenen Erwartungen oder Überzeugungen entsprechen (Confirmation bias). Je komplexer ein Thema ist und je mehr Widersprüche man findet, desto leichter wird es zu jeder Theorie solche Untermauerungen zu finden. Im Bereich Ernährung gibt es so viele Störfaktoren, dass man allgemeinere Aussagen überhaupt nur treffen kann, indem man Studien mit größere Menschengruppen durchführt und sich anguckt, welche Tendenzen über alle Teilnehmenden hinweg auftreten. Oft sind die Studien so klein, dass sich zu nahezu jeder Theorie hier allein durch den Zufall bedingt auch Studien finden lassen, die diese zu untermauern oder zu widerlegen scheinen
- Je komplexer das Problem, desto einfacher die Lösung: Als Menschen tendieren wir dazu einfache Lösungen für alles zu suchen. Es stellt sich sogar heraus, dass wir desto stärker zu diesem Verhalten tendieren, je komplexer ein Problem ist.
Auch wenn diese Theorie ursprünglich aus der Organisationspsychologie
kommt, kann ich mir gut vorstellen, dass sie übertragbar ist.
Auf meiner Suche nach einer Erklärung bin ich über sehr viele verschiedene Quellen gestolpert bei denen alles von Youtubekanälen, über Blogs bis hin zu Büchern dabei war. Auch wenn Bücher, vor allem Ernährungsbücher, nicht unbedingt besser sind als irgendwelche Seiten im Internet, haben mich drei davon doch besonders beeindruckt: The China Study (T. Colin Campbell), How not to diet (Michael Greger) und zuletzt habe ich diesem noch Der Ernährungskompass (Bas Kast). In letzter Zeit gucke ich auch vermehrt Videos auf dem Youtube-Kanal des Ernährungsberaters Ken.
Bas Kast's Ernährungskompass
Nach einem Anfall von Angina Pectoris beim Joggen im Alter von 40 Jahren stellte er seine Ernährung um und recherchierte drei Jahre lang für sein 2018 erschienenes Buch Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung.
Hinter dem Buch steckt also nicht nur viel Arbeit vonseiten Bas Kasts, sondern die zahlreichen (und auch teilweise widersprüchlichen) Erkenntnisse aus Ernährungsstudien. Bas Kast weißt dabei auch auf einige der Fallstricke von Ernährungsstudien und Probleme beim gewinnen eines Gesamtüberblicks hin, konkret z.B. auch auf die Punkte 1 und 2 aus der Einleitung. Besonders interessant war für mich aber der Vergleich mit How not to diet, dass ebenfalls wissenschaftsbasiert ist und auf großen Mengen von Studien basiert, die zusammengetragen, gewichtet und letztendlich zu einem Gesamtbild zusammengefügt wurden. Im Großen und Ganzen erscheinen vor diesem Hintergrund die meisten Hinweise, ja sogar der Großteil plausibel. Aber nicht alle. Und genau das halte ich für ein Problem: Genauso wie Autor:innen mit systematischen Verzerrungen zu kämpfen haben, haben auch die Lesenden damit zu kämpfen und bei ihnen kommt noch das Problem dazu, dass sie die Wichtigkeit unbewusst an Wortwahl und Ausführlichkeit des Autos festmachen. Wenn Bas Kast also Olivenöl und Fisch sehr stark betont, dann nehmen die Lesenden das als sehr viel wichtiger wahr, obwohl Hülsenfrüchte vermutlich ein größerer Schlüssel zur Gesundheit sind. Und wenn Bas Kast Butter als "besser als das Brot auf das sie gestrichen wird" bezeichnet, dann verhindet das, dass die Lesenden verstehen, dass weder Brot noch Butter gesund sind und keines Teil einer optimalen Ernährung sein muss und vermutlich auch nicht sein sollte.Hier nun eine Liste der Dinge, die mich in seinen Aussagen am meisten gestört haben. Wohlgemerkt habe ich als Referenz nur meinen eigenen Menschenverstand und meine Erkenntnisse aus How not to diet:
- Fett ist nicht ungesund. Das mag ohne weiteren Kontext stimmen, vor allem in Bezug auf mehrfach ungesättigte Fettsäuren trifft das ganz bestimmt zu. Aber wer abnehmen will, sollte laut How not to die trotzdem die eigene Fettaufnahme minimieren. Den Körper kostet es mehr Energie Kohlenhydrate und Proteine einzulagern, da sie zunächst in Fettsäuren umgewandelt werden müssen und er versucht dies deshalb zu vermeiden, soweit möglich.
- Bas Kast hat seine Herzerkrankung mit einer extrem fettarmen Diät geheilt. Nach der Heilung hat wieder mehr der gesüderen Fette zugeführt und nach wie vor keine Herzprobleme. Hier differenziert Bas Kast nicht zwischen Korrelation und Kausalität: Die Frage ob eine Ernährung mit diesen gesünderen Fetten auch zu einer Heilung geführt hätte, bleibt entgegen seiner Aussagen unklar.
- Bas Kast relativiert gesättigte Fette, insbesondere in Butter, Käse und Joghurt. Natürlich macht die Dosis das Gift, aber in diesem Fall schadet Verzicht auch nicht und macht es vermutlich für die meisten leichter als Maß zu halten.
- Das Problem von Nahrungsmitteln mit hoher Kaloriendichte. In How not to diet wird aufgezeigt, wie die Kaloriendichte beeinflussen kann, wie viele Kalorien wir aufnehmen. Diesen Aspekt hat Bas Kast übersehen, wie tatsächlich viele der Effekte, die effizientes Abnehmen betreffen.
- Schadstoffe in Fisch erwähnt Bas Kast am Rande, aber von Reis rät er grundsätzlich ab, obwohl das Schadstoffproblem mir bei Fisch wesentlich akuter erscheint.
Zusammenfassung
Der Ernährungskompass ist ein gutes Buch, aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Wer einfach nur auf der Suche nach einer gesünderen Ernährung ist und sich nicht so sehr mit Wissenschaft, Warums und widersprüchlichen Tipps auseinandersetzen will, findet meiner Meinung nach aktuell die besten Infos in der App Daily Dozen und einer der zahlreichen Zusammenfassung des anderenfalls doch extrem langatmigen How not to diet. Die einzige wirklich wichtige Erkenntnis aus dem Ernährungskompass die dabei fehlt, ist meiner Meinung nach der Eiweißeffekt (den man übrigens auch schnell googeln kann).